Die Geschichte
Dorfchronik
In Gold eine blaue Wellendeichsel ... (von Jürgen Schneider)
... zwischen drei roten Garnrädern mit schwarzen Speichen.
So wird das erst in 1959 entstandene Wappen des Dorfes Weifenbach beschrieben. Die Wellendeichsel stellt die Bäche Weifenbach und Weidenbach dar, die sich in der Dorfmitte vereinigen. Die Garnhaspeln, früher „Weife" genannt, weisen auf die Weberei hin, die in vergangenen Zeiten zum Erwerb der Bewohner beitrug. Von diesen vergangenen Zeiten soll hier in einem groben Überblick berichtet werden.
Weifenbach liegt am süd-östlichen Rande des Rothaargebirges, umrahmt von Bergen, deren bekanntester die Sackpfeife ist. Den beiden Bächen, die sein Bild prägen, folgten schon seit Jahrhunderten Handelswege, die zur nahegelegenen Wasserscheide zwischen Lahn und Eder führten, auf der eine alte Handelsstraße verlief.
Wann sich der erste Siedler in unserer Gemarkung niederließ, ist heute nicht mehr festzustellen. Wie bei allen älteren Ansiedlungen ist dieser Zeitpunkt in das Dunkel der Geschichte getaucht. Erstmals durch eine Urkunde erwähnt wurde Weifenbach am 5. Juni 1262. Sie besagt, dass der Glöckner Walter von Weifenbach zu Biedenkopf zur Aussteuer seiner Verwandten, der Nonne Zina, dem Kloster Kappel Güter zu Weifenbach und ein Haus in Biedenkopf schenkt.
In dem folgenden Jahrhundert werden des öfteren Weifenbacher in Gerichtsakten als Schöffen erwähnt oder in Lehensbriefen genannt. Bekannt sind aus dieser Zeit auch die Namen der Pfarrer, denn unser Dorf gehörte damals zum großen Kirchspiel Breidenbach. Das Pfarramt lag bis 1516 hauptsächlich in den Händen derer von Hohenfels. Im Jahre 1528 wurde die Reformation im Kirchspiel eingeführt und 23 Jahre später das Kirchspiel Wallau mit Weifenbach abgetrennt. Etwa um diese Zeit könnte im Dorf eine kleine Kapelle errichtet worden sein. 1591 wird ein Christ Immel als Kapellenvorsteher erwähnt. Die alte Kanzel, die wahrscheinlich später hinzukam, trug die Jahreszahl 1627 oder 1628. Man muss beim Rückblick auf diese Zeiten bedenken, dass nicht, wie heute, innerhalb kürzester Zeit Bauten oder sonstiges realisiert werden konnten, da die Mittel beschränkt waren. So wurde dann auch erst 1711 ein größerer Umbau an der Kirche vorgenommen. Seit Weifenbach kirchlich zu Wallau gehörte, mussten die Toten auch dort begraben werden, was in den Wirren des 30-jährigen Krieges, der auch unsere Gegend nicht verschonte, nicht möglich war. Gegen Ende des 17ten Jahrhunderts wurde darum in Weifenbach, im heutigen Gemarkungsteil „Hinter dem Dorf' ein Friedhof angelegt, der 1881 geschlossen wurde und von dem heute nur noch ein einziger verwitterter Grabstein zeugt. Der neue Friedhof „Über dem Falltor" musste schon 1924 vergrößert werden, vierzig Jahre später nochmals. Auf ihm wurde ein Denkmal für die 16 bzw. 28 Gefallenen aus beiden Weltkriegen errichtet.
Während kirchlich eine Trennung stattfand, unterstand Weifenbach weltlich der Breidenbacher Gerichtsbarkeit und war in den Breidenbacher Grund eingebunden. In alten Überlieferungen finden sich viele Namen von Adelsgeschlechtern die über dieses Gebiet herrschten. Nur die von Breidenbach zu Breidenstein haben sich noch ihren Stammsitz bewahrt. Ihnen waren die Weifenbacher in Leibeigenschaft untertan.
Die Leibeigenschaft war, wie es sich manche vielleicht vorstellen, keine Sklaverei. Sie bestand in der Verrichtung von Frondiensten, sowie in einer groben Beschränkung der persönlichen Freiheit. Dieses drückte sich zum Beispiel dadurch aus, dass nicht ohne Erlaubnis geheiratet werden durfte, wenn der Partner nicht aus dem Breidenbacher Grund stammte. Im Jahre 1813 wurde durch Verordnung die Leibeigenschaft aufgehoben. 35 Jahre später blies der Wind der deutschen Revolution auch in das Weifenbacher Tal. Die Einwohner hatten eigenmächtig aus den freiherrlichen Waldstücken 900 Stämme geschlagen, woraufhin die Grenze mit der Gemeinde neu festgelegt wurde. Vorher jedoch mussten die Weifenbacher besänftigt werden. Eine Breidensteiner Niederschrift besagt: „... am dritten Tag rotteten sich die Breidensteiner erneut zusammen und zogen bis an die Lahn, um das Weifenbacher Kriegsvolk abzuwehren." Später wurde Weifenbach vom 'alten Baron' als Dorf der Jakobiner bezeichnet. Diese Titulierung hat sich bis in die heutige Zeit gehalten.
Doch von der neuen Zeit aus lassen wir uns wieder ein halbes Jahrtausend zurücktreiben. Nach alten Überlieferungen soll Weifenbach damals aus vier Höfen bestanden haben. Dies waren der Altenhof, der Wiesenhof, der Hof über dem Falltor und der Siechenhof. Diese Zahl wird in 1578 schriftlich untermauert, als in einem Musterungsregister des Grundes Breidenstein 15 Hausgeseß und vier dienstpflichtige Wagen (=vier größere Höfe) genannt werden. 130 Jahre später sind in einem Katasterblatt von Daniel Merian (vielleicht ein Verwandter der berühmten Matthäus Merian) nur zwölf Höfe und die Kirche verzeichnet. In Schriften wird dagegen eine größere Anzahl belegt. Wer die Genauigkeit früherer Karten kennt, wird hier den schriftlichen Belegen den Vorzug geben. In der damaligen Zeit stieg die Bevölkerungszahl zunächst nur langsam an und überschritt erst um 1870 die Zahl 300. Nach einer stetigen Steigerung wurde in 1946 ein vorläufiger Höhepunkt erreicht, als nach Aufnahme von 215 Flüchtlingen, die Einwohnerzahl um 40% auf 738 erhöht wurde. Heute hat Weifenbach etwa 600 Einwohner.
Trotz dieser geringen Einwohnerzahl hatte Weifenbach schon relativ früh einen eigenen Lehrer. Der erste, dessen man sich erinnern kann, war Adam Weigel von hier. Er lehrte um 1790. Nun war es nicht so, dass die Kinder nach einem Schultag allen Verpflichtungen entbunden waren. In dieser Zeit wurde nur im Winter Schule gehalten, wobei jedes Kind ein Scheit Brennholz mitbringen musste. Im Sommer mussten die Kinder bei der Landwirtschaft helfen. Da man früher noch keine Maschinen hatte, wurde jede Hand gebraucht, auch wenn sie noch so klein war.
Auch der Lehrer konnte sich während des Sommers nicht ausruhen, seine Beschäftigung soll das Viehhüten gewesen sein. Über die genaue Besoldung ist nichts belegt. Später bekam der Lehrer, nachdem die Sommerschule eingeführt war, 20 Kreuzer pro Kind und mit täglicher Abwechslung ein Essen („Wandertisch") von den Eltern. Hier sollte das Wort „Abwechslung" nicht allzu wörtlich genommen werden. Deswegen wurden die Lehrer hinterher nur noch in Naturalien und Geld entlohnt. Zusätzliche Aufgaben hatten sie im Kirchendienst (Läuten, Reinigen, Leichensingen ...). Von 1790 bis 1805 mussten die Kinder nach Wallau in die Schule gehen, in 1840 ein zweites Mal. Dann wurden die Schulen Wallau und Weifenbach getrennt.
Der Unterricht muss damals in Privathäusern stattgefunden haben, denn erst 1890 wurde in unserem Dorf das Schulhaus errichtet. In dieser Schule haben die meisten der älteren Einwohner Weifenbachs ihre Schulzeit absolviert. Ihnen werden die Namen der Lehrer Heß, Rumpf, Nilges und andere noch sehr geläufig sein.
In 1970 wurde die Schule endgültig geschlossen und die Kinder gehen wieder wie früher nach Wallau zur Schule. Heute haben sie es durch die Busse aber etwas einfacher als ihre Ahnen.
Die Schließung der Schule brachte zwar den Kindern ein paar Umstände, den Weifenbachern aber viele neue Räume, die heute stark genutzt werden. Zwei Kapellen üben dort, der Ortsvorsteher und Ortsbeirat sind hier zu erreichen; Bibelstunden, Kindergottesdienst und andere christliche Veranstaltungen finden in den Räumen Platz, zeitweise war ein Jugendraum im Keller und auch der Männergesangverein, dessen Gründer sicher beim Aufbau der Schule halfen, sowie der Frauenchor haben dort jede Woche ihre Übungsstunden.
Vereine und andere gesellige Zusammenschlüsse hat es in Weifenbach schon sehr lange gegeben. In den 80ern wurde vom Wirt Oswald Henkel ein Kegelbuch von 1863 wiederentdeckt. Das Dorf der Musikanten und Kegler trägt also seinen Namen nicht zu unrecht. Aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wird überliefert, dass sich ein reges Musikleben entwickelte. Einzelne Musikanten schlossen sich damals zusammen und legten den Grundstein für das noch heute innige Verhältnis zur Musik. Besonders erwähnenswert ist hier, dass eine jahrelange musikalische Rivalität zwischen den bekannten Kapellen „Reitz" und „Blöcher" die Qualität der Darbietungen immer mehr steigerte, da jede die andere überbieten wollte. Auch der Gesang kam nicht zu kurz; in 1885 wurde der erste Gesangverein („Eintracht") gegründet, drei Jahre später der zweite („Frohsinn"). Beide schlossen sich in 1933 zum Männergesangverein Weifenbach zusammen. Um die Jahrhundertwende entstanden im Dorf zwei Burschenschaften. Ihre im nachhinein angeschafften Fahnen tragen die Jahreszahlen 1908 („Immergrün") und 1913 („Geselligkeit"). Auch diese beiden sind heute vereinigt. Die Entstehung von jeweils zwei Kapellen, Gesangvereinen und Burschenschaften war durch die beiden Gastwirtschaften (Chrests und Wewersch) begründet.
Das Bestreben der Weifenbacher, ihr Dorf zu erhalten und schöner zu gestalten, führte in 1913 zur Gründung des Turnvereins, in 1953 zur Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr, in 1962 zur Gründung des Verkehrs- und Verschönerungsvereins und 1982 wurde dann der Frauenchor ins Leben gerufen. Der jüngste Verein ist der Heimat- und Förderverein.
Auch schon früher war der Bedarf nach einem Ausgleich vorhanden. Man traf sich in Spinnstuben, fertigte dort Kleidungsstücke und Garn an, während Gesang und Gespräche für die Unterhaltung sorgten. Beliebt war sicher auch die „Dämmerstunde" in der Wirtschaft, bei der neue Ereignisse beredet und Erfahrungen ausgetauscht wurden. Dass die Weifenbacher einem guten Tropfen nicht vollkommen ablehnend gegenüberstanden, wird durch ein Gebäudeverzeichnis von 1819 belegt. Hier sind neben Wohnhäusern, Kirche, Schmiede und Backhaus auch zwei (nebenberufliche) Branntweinbrennereien verzeichnet. Doch der Genuss musste mäßig bleiben, denn schon bald folgte wieder ein langer und harter Arbeitstag.
Die Hauptbeschäftigung unserer Ahnen waren Landwirtschaft und Köhlerei. Die Köhlerei war den Männern vorbehalten. Wer heute hier im Wald spazieren geht, wird viele eingeebnete runde Plätze finden. Dies sind die damals angelegten Kohlgruben, auf denen der Meiler entstand. War die Kohle fertig, wurde der Meiler abgebrochen und die Holzkohle zu den Hüttenwerken an Lahn und Dill geschafft. Manch einer hatte es zu eilig, die Kohlen loszuwerden. Nachglühende Kohlen, durch den Luftzug entfacht, ließen oft ganze Wagen verbrennen. Der letzte Köhler war im ersten Weltkrieg tätig und lieferte zur Ludwigshütte, der es angesichts der Kriegszeiten an Steinkohle mangelte.
Im Winter zogen die Männer bis in die Darmstädter Gegend, um bei größeren Bauern zu dreschen. Aber auch diese Tätigkeit fand ihr Ende, als nach 1865 die Dreschmaschinen eingeführt wurden. Nun bot sich die aufstrebende Industrie als Erwerbszweig an. Die meisten Männer zog es in die Fabrik. Man hatte ein geregeltes Einkommen und konnte nach Feierabend noch den Frauen bei der Landwirtschaft helfen. Die Frauen mittleren Alters trugen die Hauptlast der landwirtschaftlichen Arbeit, denn die jüngeren Frauen und Mädchen zogen als Schnitterinnen oder Erntehelferinnen in die Schwalm und Wetterau, während die älteren Frauen das häusliche Anwesen versorgten. Kurz vor der Jahrhundertwende wurde noch versucht, in Weifenbach Bodenschätze zu finden; aufgrund der geringen Erzgehalte erschien ein Abbau aber nicht lohnend. Die begonnene Schiefergrube und zwei Stollen sind heute noch vorhanden.
Nach dem zweiten Weltkrieg wandelte sich die Bevölkerungsstruktur erheblich. Gab es früher nur Bauern, Fabrikarbeiter und Handwerker, so findet sich heute in Weifenbach eine Vielzahl von Berufen, die nahezu sämtliche Erwerbsstrukturen abdeckt.
Weifenbach ist, dank seiner ruhigen Lage, immer ein reines Dorf geblieben. Bis auf die Flutkirmes im August 1938, bei der der Ort einem reißenden Hochwasser ausgesetzt war, blieb er von größeren Katastrophen verschont. Wenn zudem auch weiterhin Uneinigkeit und andere Unannehmlichkeiten vor dem Weifenbacher Tal kehrtmachten, so bleibt nur noch zu hoffen, dass Weifenbach mit seinen Bewohnern und Gästen auch in zukünftigen Zeiten angenehme Alltage und frohe Feiertage erleben kann.
Vieles ist hier unerwähnt geblieben. Dies geschah einerseits, weil der Raum begrenzt ist. Andererseits soll dieser grobe geschichtliche Überblick dazu dienen, ein wenig zu Fragen und Gesprächen über Weifenbach anzuregen.
Quellen: Hinterländer Anzeiger, Hinterländer Geschichtsverein, Otto Achenbach (Schmette), Wallauer Chronik, Festschriften vom MGV und Musik, mündliche Informationen.
Geschrieben in 1983 und in 2005 leicht ergänzt.